Die hohe Lebenserwartung in den Industrieländern ist unter anderem auf die gute medizinische Versorgung zurückzuführen. Unverändert liegt bei der Entwicklung von Arzneimitteln der Fokus auf der Wirksamkeit, doch gewinnt bei Medikamenten das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung.
Verschiedene Ansätze werden verfolgt, um dem Umweltschutzgedanken einen höheren Stellenwert zu geben. Zum einen wird der Abbaubarkeit von Wirkstoffen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, zum anderen konzentriert sich die Forschung auf die Entwicklung von Recyclingmethoden. Neben der Pharmaindustrie verstärkt auch der Vertrieb seine Umweltschutzbemühungen.
Pharmaunternehmen und Apotheken arbeiten an ihrer Nachhaltigkeit
Immer mehr Pharmaunternehmen stellen ihre Produktionsprozesse im Hinblick auf eine höhere Nachhaltigkeit um. Unter anderem die Reduzierung von Treibhausgasen und Abfällen spielt eine wichtige Rolle. Laut dem Verband der Forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) konnten in den vergangenen Jahren einige Fortschritte erzielt werden. Unter anderem Maschinen mit einem geringeren Energieverbrauch, effizientere Verfahren und schlankere Organisationsstrukturen kommen als Maßnahmen zum Einsatz.
Auch der Einzelhandel, insbesondere Apotheken, bleibt nicht untätig. Vor allem Online Apotheken haben in punkto Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle übernommen, indem sie etwa in den Bereichen Planetary Care, Patient Care und Employee Care die Entwicklung vorantreiben. Unter anderem über ein ressourcenschonendes Warenmanagement wird das Ziel verfolgt, das Unternehmen nachhaltiger zu gestalten.
Abbaubare Wirkstoffe – ein wichtiger Aspekt
Die Infektion bekämpft ein Antibiotikum, der gezerrte Muskel wird mit einer Salbe besänftigt, und bei Kopfschmerz hilft eine Tablette. Allerdings können Medikamente ein langwieriges Nachspiel haben, da viele Wirkstoffe im menschlichen Körper nur unvollständig oder gar nicht abgebaut werden. Nach dem Toilettengang finden einige Wirkstoffe zu den kommunalen Kläranlagen und von dort in die Flüsse, ohne von einer Barriere aufgehalten zu werden.
Pharma-Experten regen an, dass Wirkstoffe von vornherein so designt werden sollten, dass sie in der Umwelt schnell und vollständig abbaubar sind. Laut dem Umweltbundesamt wurden in den vergangenen Jahren bereits viele gut abbaubare Wirkstoffe für bestimmte Krebs- oder Immunerkrankungen zugelassen. Demnach ist eine positive Entwicklung in die richtige Richtung zu beobachten, doch fordern Fachleute stärkere Vorgaben der Politik. Auf diesem Wege könnte das Interesse an der Entwicklung von nachhaltigen Medikamenten vergrößert werden.
Recycling von Medikamenten – ein Konzept mit Zukunft?
Derzeit werden Tropfen und Säfte häufig im Waschbecken entsorgt sowie abgelaufene Tabletten in die Toilettenschüssel gekippt. Verbraucher müssen sich in der Regel selbst um die fachgerechte Entsorgung von alten Arzneimitteln kümmern. Die belastenden Auswirkungen auf die Umwelt können kaum beziffert werden. Ein Projekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat zum Ziel, die Entsorgung von Medikamenten nachhaltiger zu gestalten.
Die Wissenschaftler recyceln Wirkstoffe aus Altarzneimitteln und nutzen diese im Anschluss als Forschungschemikalien bei der Synthese von neuen Wirkstoffkandidaten. Das Projekt wurde von Anna Roggenhofer, die am Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie promoviert hat, ins Leben gerufen, um den teuren Einkauf von Chemikalien im Fachhandel zu reduzieren. Für über 100 verschiedene Wirkstoffe haben die Wissenschaftler bereits Rückgewinnungsmethoden entwickelt.
Es ist zu berücksichtigen, dass für ein Kilogramm Arzneistoff im Regelfall rund 250 Kilogramm Abfall produziert werden. Mit dem Recycling-Konzept kann somit nicht nur verhindert werden, dass Wirkstoffe in die Umwelt gelangen, sondern auch der Verbrauch von Ressourcen erheblich reduziert werden.
Damit das Recycling von Medikamenten ein Konzept mit Zukunft wird, sind Anpassungen beim Arzneimittelgesetz erforderlich. Derzeit ist es grundsätzlich untersagt, demnach losgelöst von Forschungsarbeiten, selbst unangetastete Altarzneimitteln weiterzugeben.